Es ist ruhig, morgens um neun auf der Kommunikationsstraße im Fischelner Gewerbegebiet. Die Arbeit in den umliegenden Unternehmen hat gerade begonnen. Im Bistro Impuls sind die Tische noch unbesetzt, doch hinter der Theke herrscht Betriebsamkeit. Hier duftet es bereits köstlich nach einem Hühnerfrikassee, das bald serviert werden kann; in den Vitrinen warten belegte Brötchen und frisch gebackener Apfelkuchen auf hungrige Mägen. Vielleicht laden später auch die letzten Mittagsstrahlen der Septembersonne auf der Terrasse zum Verweilen ein. Das Team des Heilpädagogischen Zentrums freut sich jedenfalls darauf, seine Gäste bewirten zu dürfen.
Das Morgenlicht fällt durch die Fensterfront auf helle Holztische, die Kaffeemaschine brummt, die Atmosphäre ist einladend. Doch zu dieser Zeit rufen nur ab und an Vorbeigehende einen Gruß in den Gastraum. „Das Bistro ist an den Betrieb des HPZ angeschlossen“, erläutert Gruppenleiterin Heike Rohr eingehend, „dazu gehören vor Ort eine Fahrradwerkstatt, die Berufsbildung, Verpackungsherstellung und die Hauswirtschaft. Die Chance auf den meisten Kundenkontakt, für die Kolleginnen und Kollegen, die das wünschen, bietet allerdings das Bistro.“ Die Menschen, die hier in der Küche und hinter der Theke arbeiten, leben mit psychischen Beeinträchtigungen wie Depressionen, Angststörungen, Schizophrenie und Psychosen. Einige haben bereits eine Ausbildung oder ein Studium begonnen oder abgeschlossen, manche haben auch schon einige Jahre im Arbeitsleben Erfahrungen gesammelt. Das HPZ bietet ihnen die Möglichkeit, nach einer längeren Erkrankungsphase wieder Fuß zu fassen und in geschütztem Rahmen erste Schritte zurück in eine berufliche Tätigkeit zu machen. „Die Gastronomie ist dafür eine sehr gute Gelegenheit“, betont Rohr, „denn die Begegnung mit den Kundinnen und Kunden hat eine klare Struktur, die Rollen sind eindeutig, aber es herrscht keine strenge Erwartung an Formalitäten.“ Das ist nicht nur für das Team auf ihrer Seite der Interaktion hilfreich, benennt die Gruppenleiterin die Tatsachen unverblümt: „Unsere Mitarbeitenden sind durchaus kontaktfreudig! Oft ist es vielmehr die Umwelt, die Ängste und Hemmungen ihnen gegenüber hat. Die Unsicherheiten auf beiden Seiten abzubauen – das bedeutet Inklusion.“
Das Bistro Impuls ist für die Männer und Frauen im Betrieb eine Chance, auf den ersten Arbeitsmarkt zurückzukehren. Nicht nur eignen sie sich Kenntnisse an und sammeln Erfahrungen, die bei späteren Bewerbungen wertvoll sind, auch ihre Selbstwahrnehmung verändert sich entscheidend. „Psychische Erkrankungen bringen in unserer Gesellschaft ein Stigma mit sich“, weiß Heike Rohr, „und sowohl von der Umgebung wie von den Betroffenen selbst wird der Fokus sehr auf die Defizite gerichtet: Was kann ich wegen meiner Erkrankung nicht oder nicht mehr? Hier im HPZ rücken wir wieder die vorhandenen Kapazitäten in den Vordergrund!“ Die gelernte Hotelfachfrau hat selbst einige Erfahrung in der Gastronomie; nach einem Abstecher als Automobilverkäuferin hatte sie schon ein eigenes kleines Café in Neersen betrieben, bevor sie in die Arbeit mit Menschen mit geistiger Behinderung wechselte. Seit sechs Jahren ist sie beim Heilpädagogischen Zentrum Krefeld-Viersen beschäftigt und hat in dieser Zeit auch die Ausbildung zur Fachkraft für Arbeits- und Berufsförderung dort abgeschlossen. „Menschen liegen mir am Herzen“, lächelt sie, „und die Arbeit mit den Menschen hier im Bistro ist besonders abwechslungsreich.“ Jeanette Echterhoff, die für die Öffentlichkeitsarbeit der Einrichtung zuständig ist, fügt hinzu: „Unser Augenmerk im HPZ liegt darauf, attraktive Arbeitsplätze für alle unsere Mitarbeitenden zu schaffen. Uns ist besonders wichtig, vielfältige Fördermöglichkeiten anzubieten, die auf die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Beschäftigten abgestimmt sind. Deswegen gibt es an unseren neun Standorten ganz unterschiedliche Optionen.“ Neben klassischen Verpackungsarbeiten, Tätigkeiten in der Garten- und Landschaftspflege oder in der Fahrradwerkstatt, bietet das HPZ auch Arbeitsplätze in der Werbetechnik und Druckerei sowie im Montage- und Metallbereich an. Ein weiteres Bistro gibt es am Standort Kempen und im neuen Jahr plant das HPZ die Eröffnung eines kleinen Cafés im alten Bürgermeisteramt in Brüggen. „Wir möchten für jeden Mitarbeitenden ein passendes Arbeitsumfeld bieten, das zu den individuellen Möglichkeiten und Wünschen passt“, schließt Echterhoff, „ein besonderes Highlight ist aber natürlich unsere Kaffeerösterei PONTE in Uerdingen.“
Selbstverständlich schenkt auch das Bistro Impuls den PONTE-Kaffee aus, der sowohl ökologisch wie sozial fair gehandelt ist: Die Bohnen stammen von guatemaltekischen Kleinbauern, vertreten durch ProGua e. V., und werden vor Ort von HPZ-Mitarbeitenden mit geistiger Beeinträchtigung geröstet. Außerdem bietet die Küche an der Kommunikationsstraße belegte Brötchen und verschiedene Imbisse aus der Fritteuse an, dazu Mahlzeiten aus dem Cook-and-Chill-Verfahren sowie jeden Tag ein frisch zubereitetes Mittagsgericht. Auch Nachtisch, hausgebackener Kuchen und Eis stehen zur Wahl. Das Angebot wird im Gewerbegebiet bereits sehr gut angenommen, berichtet Heike Rohr nicht ohne Stolz: „Wir haben eine gute Stammkundschaft entwickelt, die wir per E-Mail einmal wöchentlich über die aktuelle Speisekarte informieren.“ Um den Newsletter zu erhalten, müssen Interessierte sich nur an der Theke melden und ihren Kontakt in die Liste eintragen lassen. Für die umliegenden Unternehmen stellt das Bistro eine kulinarische Bereicherung dar, die sich in Zukunft sogar noch erweitern könnte. „Ich träume von einem Brötchenfahrrad“, verrät uns Rohr, „mit dem das Team unseren Service bis in die Betriebe hineinbringt!“ Und dem Ideal der Inklusion noch näherkommt: Hemmschwellen abzubauen, damit Menschen sich begegnen.
Bistro Impuls am HPZ
Kommunikationsstraße 7
47807 Krefeld-Fischeln
Fotos: Felix Burandt